Das Ende vom Cinema Neuer Krug

Leider besitzen wir keine Originalunterlagen aus den Anfängen des Cinemas. Wir vermuten aber, dass es für das Cinema an der Weseler Straße nur einen 10 Jahres-Pachtvertrag gab, der 1978 auslief und hätte verlängert werden müssen.

Der Münsteraner Musiker Steffi Stephan plante schon seit 1976, im ehemaligen Pumpenhaus an der Gartenstraße ein Kultur- und Kommunikationszentrum einzurichten. Spätestens zwei Jahre später zeichnet sich aber ab, dass sein privat finanziertes „kommerzielles“ Projekt nach Vorbild der Hamburger Fabrik keine Chance auf Realisierung hatte (der Rat brauchte dann noch bis Ende 1979, um das Nutzungskonzept zu verabschieden, nochmals vier Jahre später konnten dann Filmgruppe und Theater die Eröffnung feiern). So pachtete Stephan zum 1. März 1978 stattdessen die Gaststätte Neuer Krug und zum 30. Juni auch das Kino.

Das rief viel Widerstand in Münster hervor. Tausende Unterschriften wurden gesammelt, ein Verein zum Erhalt des Cinema gegründet, etliche Leserinnenbriefe und Leserbriefe in den Zeitungen abgedruckt. So schrieb im Mai 1978 Jörg Filter, später langjähriger Mitarbeiter des Cinemas: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Steffi Stephan so filminteressiert ist und über so weitgehende Filmkenntnisse verfügt, dass er das Niveau der bisherigen Programmgestaltung auch nur annähernd erreichen kann." Steffi Stephan versicherte in einer Stellungnahme hingegen: „Ich will im Cinema an fünf Tagen in Zusammenarbeit mit einem Kinofachmann ein gutes Programmkino weiterführen und an zwei Tagen der Woche zur kulturellen Bereicherung Live-Konzerte bieten.“

Aufgrund der Proteste fand die Übernahme des Kinos erst zum Oktober 1979 und der Spielbeginn Ende des Jahres statt. »Als Programmgestalter und Chef des Kinos hat Stephan nun Andreas Pietsch (29) gewonnen, er studierte Sozialpädagogik mit Schwerpunkt Medienarbeit.« (WN 1.1.79)

Das Kino an der Weseler Straße hatte es fortan nicht leicht. Heiner Pier hatte über seine guten Kontakte zur AG Kino und einigen Verleihern erreicht, dass Stephan kaum an interessante Filme kam. So stellte das Aktionskino Jovel schon anderthalb Jahre später den Kinobetrieb wieder ein und war nun ausschließlich Ort für Konzerte und Disco. Das Jovel hatte aber wiederholt Ärger mit den Anwohnenden und dem Ordnungsamt. Mitte 1987 schloss es an der Weseler Straße die Türen, um sie ein Jahr später in der ehemaligen Germania-Brauerei an der Grevener Straße wieder zu öffnen. Und auch hier gab es zur Eröffnung wieder Proteste der Nachbarschaft …

Bestärkt von der großen Unterstützung machte sich Heiner Pier und der Cinema Förderkreis schon 1978 auf die Suche nach einem neuen Ort für das Cinema. »Die nie erwartete Reaktion des Publikums hat Heiner Pier – „ich war konkurrenzmüde" – jetzt ermuntert, vielleicht doch noch weiter zu machen, „möglicherweise in ausgedehnter Form, etwa mit weiteren Räumlichkeiten, in denen man Diskussionen über die Filme veranstalten kann".« (WN 2.10.78) Dazu im nächsten Heft mehr.

50 Jahre Cinema & Kurbelkiste: Die Suche nach einem neuen Gebäude 1979

Zum 1. Oktober 1979 hatte Steffi Stephan den Neuen Krug an der Weseler Straße übernommen. Heiner Pier und seine Mannschaft mussten das Gebäude räumen, ohne ein konkretes Ersatzobjekt gefunden zu haben. Die Kurbelkiste in der Winkelstraße mit den 60 Plätzen spielte aber weiter.

Das Interesse an einem Weiterbestehen des Cinema ging durch alle Fraktionen im Rat (damals gab es nur CDU, SPD und FDP). „Wir stehen der Arbeit Piers grundsätzlich positiv gegenüber“, wird der damalige CDU Ratsherr Ruprecht Polenz und gleichzeitig stellvertretendes Mitglied im Kulturausschuss in der WN zitiert (18.7.79). „Wie Polenz meint, tue die Stadt Münster alles, um Heiner Pier bei der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten behilflich zu sein“, schreibt die WN weiter. Für die SPD setzt sich die Ratsfrau Brigitte Jäger für das Cinema ein: „Das Programmkino wie Heiner Pier es in Münster geboten hat, ist ein beachtlicher kultureller Faktor in Münster gewesen.“

In dieser Zeit gab es einige Objekte, die interessant schienen, darunter Gebäude in der Wilhelmstraße und der Bergstraße. Anfang September zeichnete sich mit der Warendorfer Str. 45 der neue Standort ab. »Allerdings, und dies ist derzeit das Hauptproblem, muss das neue Gebäude erst für die Kino-Bedürfnisse hergerichtet werden. Insgesamt, so schätzt Pier, wird dies eine Summe von „etwa 700 000 Mark“ erfordern. „Natürlich erwarten wir nicht, dass die Stadt Münster dies alles bezahlt", macht Pier deutlich, „aber ein Engagement in irgendeiner Form ist notwendig!“« (WN 7.9.79)

Ende September 1979 veröffentlichte die WN ein Foto mit dem „Möbelhaus Geier“ an der Warendorfer Str. 45: »Der Besitzer der Lagerhalle, Heinz Geier, äußerte sich zurückhaltend; er bestätigte auf WN-Anfrage lediglich, dass Verhandlungen geführt würden.

Über den Ausgang könne er nichts sagen. Sein Beerdigungsinstitut* werde auf jeden Fall am jetzigen Ort bleiben. Damit kommt als eventuelle neue Bleibe für das „Cinema“ nur die Lagerhalle in Frage, die praktisch in den Gärten hinter den Häusern an der Warendorfer Straße in den 50er Jahren gebaut wurde.« (WN 28.9.79)

Schon zu diesem Zeitpunkt gab es von einigen Anwohnenden massiven Widerstand: »„Für uns wäre es eine echte Katastrophe", kündigte [einer der Anwohnenden] Widerstand an, falls sich die Vermutungen bewahrheiten sollten,« so die WN. Am 1. Dezember meldete sich Benedikt Sonntag mit einem Leserbrief zu Wort: »Dazu möchte ich sagen, dass dieses Kino an der Warendorfer Straße wirklich fehl am Platze ist. Dieses Wohnviertel wird dadurch völlig gestört. […] Die Bürger dieser Wohngegend müssen doch entscheiden, ob dieses Programmkino dort errichtet wird oder nicht, es geht doch nicht

um die geschäftlichen Interessen des Kinobesitzers. […] Nachts ist dann doch Terror, also Krach, das kann doch den Anwohnern wirklich dort nicht zugemutet werden. Außerdem gibt es ja viel zu wenig Räume zum Vorführen der Filme. Ich muss sagen, das mit dem Kino sollen sich die Besitzer aus dem Kopf schlagen.«

Die Proteste zogen umfangreiche Auflagen in der Baugenehmigung nach sich. »„Darin sind 65 Einzelpunkte aufgeführt", machte Pier den Umfang der Akte deutlich, „90 Prozent davon rein auf den Nachbarschaftsschutz ausgerichtet". So seien beispielsweise für alle Seiten und Richtungen die höchstzulässigen Dezibelwerte angegeben, die nach Außen dringen dürften.« Die Umbaukosten stiegen auf eine runde Million, die Eröffnung des Kinos verzögerte sich immer wieder. Dazu im nächsten Heft.

*noch heute gibt es ein Zeugnis des Bestattungsinstitutes im heutigen Cinema: Im Foyer, schräg gegenüber der Kinokasse, ist ein Stein in die Mauer eingearbeitet. Auf diesem stand früher das Ewige Licht im damaligen Schaufenster des Bestattungsinstitutes …

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September 1979 — Nachdem der Pachtvertrag für das alte CINEMA NEUER KRUG an der Weseler Straße nicht verlängert werden konnte, findet am 27. September 1979 ein kleines Abschiedsprogramm zum Abschied des CINEMA statt. Vorübergehend sieht es sogar so aus, als wenn in Münster kein "Ausweichquartier" für das CINEMA gefunden werden könnte:

»Hiermit verabschiedet sich die Programm-Mannschaft des Cinema. Zum Ende des Monats müssen wir das Theater räumen. Wir danken all unseren Freunden und Besuchern, die ja letztlich den bis zuletzt ständig steigenden Erfolg des Cinema bewirkt haben. Wir hoffen zwar immer noch, unser Programm in anderen Räumen weiterführen zu können, die Chancen stehen aber schlecht. Geeignete Räume standen schon mehrfach zur Verfügung. Neben dem Geld für die Errichtung waren aber immer noch hohe Umbaukosten zu bezahlen, die wir in keinem Fall aufbringen können. Mit einer finanziellen Hilfe durch öffentliche Institutionen konnten wir nicht rechnen. Es bleibt also abzuwarten, ob noch andere Lösungen gefunden werden können.« (September '79-Programm-Info der Programmkinos CINEMA & KURBELKISTE)

Alle erdenklichen Hebel werden in Bewegung gesetzt, um brauchbare Lösungen zu finden:

»Der Wunsch der Bevölkerung (auch über Münster hinaus), das Cinema in seiner bisherigen Form zu erhalten, dokumentiert eine Aktion der Initiativgruppe Cinema, die 10.000 Bürger durch ihre Unterschrift unterstützten. Hierbei wurde gleichzeitig der Rat der Stadt um Hilfe gebeten.

Ungezählte Veröffentlichungen auch in der überregionalen Presse folgten. Obwohl in der Zwischenzeit mehrere Ausweichquartiere zur Debatte standen, konnte bisher kein positives Ergebnis erzielt werden, da größere Finanzierungslücken ohne Hilfe nicht überbrückt werden konnten. Die Initiativgruppe und der jetzt gegründete Verein verfolgen weiterhin die Ziele, Münster ein Programmkino der bisherigen Qualität zu erhalten. Wir hoffen immer noch, bis zum Ende des Jahres eine Lösung zu finden. [...] Also noch keine endgültiger Abschied, wir hoffen noch ...« (Initiativgruppe Cinema im Abschiedsprogrammzettel Sept. '79)

Oktober 1979 — CINEMA NEUER KRUG:

GESCHLOSSEN!

»An alle, die sich Sorgen machen!

Am 30.8.1979 gründeten Mitarbeiter der Programmkinos und der Initiativgruppe Cinema nach langer Vorbereitung den Verein CINEMA MÜNSTER. Der gemeinnützige Verein hat sich die Aufgabe gestellt, eine Spielstelle für den gesellschaftlich, politisch, künstlerisch und historisch relevanten Film zu schaffen. Er will das Verständnis für den Film als künstlerisches und informatives Medium fördern und filmhistorische Kenntnisse vermitteln. Das Ziel sollte erreicht werden durch Vorführung von Filmen in einer eigenen Spielstelle, mit Durchführung von Filmseminaren und Filmretrospektiven allgemeinbildenden Charakters. Hierbei sollte das ansprechend gestaltete Filmangebot der Programmkinos, das von cineastischen Leckerbissen bis zur gehobenen Unterhaltung reicht, wegen der erzielten Breitenwirkung auf jeden Fall beibehalten werden. Die Geschäftsführung sollte weiterhin durch den bisherigen Leiter Heiner Pier erfolgen. Wir haben diesen Verein gegründet, um die Aufgaben der Programmkinos Cinema und Kurbelkiste weiterhin zu erfüllen [...]

Da mittlerweile ein geeignetes Gebäude zur Wiedereröffnung des Cinema in Aussicht ist, haben wir den Antrag an den Rat der Stadt Münster gestellt, den Verein bei der Errichtung dieser Spielstelle zu unterstützen. Der Kulturausschuß des Rates hat sich in mehreren Sondersitzungen mit dem Thema befaßt; der Rat der Stadt beschloß jedoch, nicht dem Verein, sondern dem bisherigen Pächter direkt zu helfen. Leider reichen die bis jetzt zugesagten Mittel nicht aus, um die Pläne zur Verlegung des Cinema zur Zeit konkret weiterfolgen zu können. Es ist jetzt fraglich, ob bis zur Klärung dieser Fragen noch das gewohnte Programm der Kurbelkiste fortgeführt werden kann.

Der Verein wird sich auf jeden Fall künftig als Förderverein der echten Programmkinos weiterhin für den Erhalt der Kurbelkiste und den Umzug des CINEMA in neue Räume nachdrücklich einsetzen. Wir bitten alle Freunde der Programmkinos, uns bei dieser Aufgabe zu unterstützen. [...] Wir bedanken uns bei den Mitgliedern des Rates der Stadt Münster und dem Kulturdezernenten, Herrn Stadtrat Janssen, für ihre mühevolle Arbeit und ihre Unterstützung und hoffen, auch mit weiterer Hilfe rechnen zu können.« (Verein CINEMA Münster im Programmzettel Oktober '79)

CINEMA MÜNSTER - Spielstelle des gesellschaftlich, politisch, künstlerisch und filmhistorisch relevanten Films

Spielplan

Montag, 29. April 2024
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Dienstag, 30. April 2024
18:00
Samstag, 11. Mai 2024
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Sonntag, 12. Mai 2024
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Mittwoch, 15. Mai 2024
18:15
Mittwoch, 22. Mai 2024
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Samstag, 25. Mai 2024
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Donnerstag, 23. Mai 2024
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Donnerstag, 30. Mai 2024
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Montag, 10. Juni 2024
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17:00